Wasser-Wissen


 

sequencing batch reactor [SBR]

frei ins Deutsche übersetzt: sequentielles biologisches Reinigungsverfahren

Dieses zu Beginn des Jahrhunderts entwickelte Verfahren wurde 1971 wieder aufgegriffen und konnte mit moderner Technik im großtechnischen Maßstab angewendet werden. Bis heute sind beispielsweise in den USA viele kommunale und industrielle SBR-Anlagen in Betrieb gegangen. In Deutschland beginnt sich diese Technologie seit Anfang der neunziger Jahre durchzusetzen, vor allem zur Reinigung von Industrieabwasser, insbesondere von Molkereien und Wäschereien, aber auch zur Reinigung von kommunalem Abwasser. 

Das SBR-Verfahren ist eine Variante des Belebtschlammverfahrens. Der Unterschied zum konventionellen Durchlaufverfahren liegt darin, dass die Verfahrensschritte nicht entlang einer Wegachse, wie es z. B. bei kaskadenförmig durchströmten Belebungsanlagen, sondern entlang einer Zeitachse geführt werden. Das bedeutet, dass beim SBR-Verfahren alle zur biologischen Reinigung des Abwassers notwendigen Schritte nicht in mehreren voneinander getrennten Reaktionsräumen stattfinden (anaerobe, aerobe, anoxische Zonen, Nachklärbecken), sondern in einer zeitlichen Abfolge im selben Behälter ablaufen. 

Der Preis eines Behälters steigert sich in bestimmten Größenbereichen nicht linear mit dem Beckenvolumen, zusätzlich ist die Erstellung zweier identischer Bauteile oft billiger als der Bau eines Belebungsbeckens und eines Nachklärbeckens. SBR-Anlagen sind daher besonders für kleinere Anschlussgrößen etwa ab 8 Einwohnerwerte geeignet, da sie dort kostengünstiger erstellt werden können als kontinuierliche Anlagen. Es ist allerdings immer eine Steuerung erforderlich. 

Aufbau und Betrieb

Eine kleine SBR-Anlage besteht meistens aus einem zweikammerigen Aufnahmetank. Er übernimmt die mechanische Vorreinigung, also das Absetzen gröberer und schwererer Feststoffe und dient zur Pufferung von Abwassermenge und -konzentration. Von dort aus gelangt das Abwasser in vordefinierten Steuerungsintervallen in den eigentlichen Reaktorbehälter.

Es gibt verschiedene Steuerungsabläufe, z.B. wie folgt: Während des Füllens und für eine vorgegebene anschließende Zeit wird der Schlamm belüftet. Nach der Belüftung setzt sich der Schlamm auf den Grund des Reaktorbehälters ab. Von dort wird ein Teil des Belebtschlammes (Überschußschlamm) in den Schlammtank gepumpt, bevor das geklärte Wasser abfließt. Danach wird der jetzt noch zu ca. 30 bis 70% gefüllte Reaktor in festgelegten Abständen belüftet, bis wieder frisches Abwasser unter Belüftung hineingepumpt wird. Bei Nichtbelüftung wird ein Rührwerk eingeschaltet. Durch eine entsprechende Wahl der Rührintervalle kann bei Anlagen mit Nitrifikation eine Denitrifikation durchgeführt werden. Dafür wird während und nach dem Füllen ebenfalls gerührt, damit das im vorausgegangenen Zyklus gebildete Nitrat veratmet werden kann.

Verfahrensbeschreibung

Unter SBR-Belebungsverfahren werden solche Verfahren zur biologischen Abwasserreinigung verstanden, deren gemeinsames Kennzeichen es ist, dass zur biologischen Abwasserreinigung Belebtschlamm eingesetzt wird, die biologische Abwasserreinigung und die Abtrennung des Belebtschlamms vom gereinigten Abwasser im selben Becken stattfinden, das gereinigte Abwasser chargenweise aus dem Becken abgezogen wird (Klarwasserabzug).

Die chargenweise Zuführung des zu reinigenden Abwassers und der zeitliche Ablauf der Abwasserzuführung sind Optionen, die gewählt werden können, um in dem SBR-Becken bestimmte, in diesem Merkblatt noch näher erläuterte Wirkungen zu erzielen.

Verfahren, die chargenweise betrieben werden, bei denen zur Abwasserreinigung aber Biofilme eingesetzt werden (Sequencing Batch Biofilm Reactor, SBBR) sind in dieser Beschreibung ausgeklammert.

Der Behälter, in dem die biologischen Reinigungsprozesse sowie die Trennung von Belebtschlamm und gereinigtem Abwasser stattfinden, wird im folgenden "SBR-Becken" genannt. Eine SBR-Anlage kann aus einem oder mehreren SBR-Becken bestehen. Zudem gehört zu einer SBR-Anlage ein oder mehrere Vorlagebehälter, wenn die Abwasserzuführung chargenweise und in zeitlich begrenzten Zeitintervallen ausgeführt wird.

Einer SBR-Anlage sind Einrichtungen zur mechanischen Abwasservorreinigung, mindestens aber ein Rechen sowie ein Sand- und Fettfang vorzuschalten. Diese Anlagen zur Abwasservorbehandlung entsprechen ebenso wie die Einrichtungen zur Klärschlammbehandlung denen, wie sie auch für kontinuierlich beschickte Belebungsanlagen eingesetzt werden.

Das Zeitintervall, das mit dem Abschluss des Klarwasserabzugs beginnt und mit dem Abschluss des nächsten Klarwasserabzugs endet, bezeichnet man als Zyklus. Jeder Zyklus ist in mehrere Prozessphasen begrenzter zeitlicher Dauer unterteilt.

 Wichtige Prozessphasen sind:

  • Füllphase Zeitintervall, in dem das zu reinigende Abwasser in den SBR- Behälter eingeleitet wird
  • Mischphase Zeitintervall, in dem der Behälterinhalt zur Einstellung ohne Sauerstoffzufuhr gemischt wird, so dass sich anaerober oder anoxischer Milieubedingungen einstellen
  • Belüftungsphase Zeitintervall, in dem der Behälterinhalt mit Luft und/oder technisch reinem Sauerstoff begast wird
  • Absetzphase Zeitintervall, in dem sich der Belebtschlamm vom gereinigten Abwasser durch Sedimentation trennt
  • Überschussschlamm-Abzugsphase Zeitintervall, in dem der gebildete Überschussschlamm aus dem Becken abgezogen wird
  • Klarwasserabzugsphase Zeitintervall, in dem das sich über dem sedimentierten Belebtschlamm gebildete Klarwasser abgezogen wird
  • Stillstandsphase Zeitintervall, in dem der SBR-Behälter auf eine neue Befüllung wartet (optional)

Die Prozessparameter:

  • Dauer der einzelnen Prozessphasen,
  • Zeitpunkt für die Initiierung einer Prozessphase,
  • Zyklusdauer resp. Zyklushäufigkeit
  • Verhältnis von Volumenabzug (Klarwasser, Überschussschlamm) zu Inhalt des SBR-Behälters bei Vollfüllung (Volumenaustauschrate, Überschussschlamm-Abzugsrate)

bestimmen die Reinigungsleistung und Prozessstabilität einer SBR-Anlage nachhaltig und müssen daher sorgfältig und zielgerichtet gewählt, bemessen und kontrolliert werden.

Geschichtlicher Hintergrund

Der Prozeßablauf, der das SBR-Verfahren kennzeichnet, wurde erstmals von dem englischen Ingenieur Sir Thomas Wardle für den Betrieb von Abwasserteichen vorgeschlagen. Das von Wardle beschriebene Verfahren unterschied zwischen einer Füllphase begrenzter Dauer, einer Belüftungs- Sedimentations- und Entleerungsphase. Die wichtigsten Merkmale des SBR-Verfahrens waren damit vorgezeichnet.

Zwei Dekaden später führten Ardern und Lockett in Manchester Versuche mit einer ganz ähnlichen Prozesstechnik durch. Die im Labormaßstab gewonnenen Ergebnisse waren so ermutigend, dass das Verfahren auf der Kläranlage der englischen Stadt Salford 1914 zum großtechnischen Einsatz kam. Ein Jahr später ging eine ähnlich konzipierte Anlage in Milwaukee, im US Bundesstaat Wisconsin, in Betrieb. In Salford wurde das vorgeklärte Abwasser innerhalb von jeweils 45 Minuten in einen von zwei 83 m3 fassenden SBR-Behältern eingeleitet und dann 3 Stunden lang belüftet. Der gebildete Belebtschlamm wurde anschließend während einer zweistündigen Sedimentationsphase abgesetzt und der Klarwasserüberstand während einer einstündigen Abzugsphase aus dem Becken abgeleitet. Bis zum Beginn der neuen Füllphase war eine 15 minütige Stillstandsphase vorgesehen. Es wird berichtet, dass das mit diesen Anlagen erzielte Reinigungsergebnis befriedigend war. Es entstanden jedoch eine Reihe technischer Probleme, die mit den damaligen Mitteln nicht zu bewältigen waren. Insbesondere war der Bedienungsaufwand für das Zu- und Abschalten der Pumpen, Schieber und Belüfter unvertretbar hoch. Die Aggregate mussten zur damaligen Zeit weitestgehend von Hand zu- und abgeschaltet werden, was zu zahlreichen Fehlschaltungen führte. Durch Umgestaltung der Anlagen in eine kontinuierlich durchströmte Anlage mit nachgeschalteten Absetzbecken und Schlammrückführung konnten diese Probleme bewältigt werden. Das klassische, kontinuierlich durchströmte Belebungsverfahren war erfunden.

Das SBR-Verfahren geriet in der Folge für viele Jahre in Vergessenheit, bis es 1952 von Hoover and Porges sowie 1959 von Pasveer quasi wiederentdeckt wurde. Im Unterschied zu der ursprünglichen Betriebstechnik wurde von den genannten Autoren vorgeschlagen, das Abwasser bei zunächst geschlossenem Ablaufwehr kontinuierlich in das SBR-Becken einzuleiten. In dem Becken kommt es dadurch zu einem Aufstau. Nachdem eine obere Wasserstandsmarke erreicht ist, wird die Belüftung abgeschaltet. Der Belebtschlamm kann nun sedimentieren, und das Klarwasser durch Absenken des Ablaufwehrs abgezogen werden.

Das von Pasveer entwickelte Verfahren wurde in den sechziger Jahren weltweit an zahlreichen Stellen angewandt. Problematisch ist, dass während des Klarwasserabzugs in das Becken Rohabwasser zuströmte. Um die Vermischung von ungereinigtem Zulauf mit gereinigtem Ablauf zu vermindern, wurde von Goronszy vorgeschlagen, die Einlaufzone des Beckens durch eine Tauchwand von dem restlichen Beckenraum abzutrennen. Aus dieser Idee entwickelten sich eine Reihe spezieller, zumTeil patentrechtlich geschützter Firmenlösungen.

Die ursprüngliche, von Ardern und Lockett eingeführte Betriebstechnik, die auf eine strikte Trennung der Prozeßphasen "Füllen" und "Klarwasserabzug" aufbaute, wurde von Irvine aufgegriffen. Durch systematische Arbeiten im Labor- und im großtechnischen Maßstab wurden in den USA wie auch in Deutschland die wissenschaftlichen und technischen Grundlagen für das Verfahren erarbeitet und vertieft, und dem SBR-Verfahren so seine heutige Einsatzreife verliehen.

Verfahrensvarianten

Zur Durchführung des SBR-Verfahrens stehen derzeit im wesentlichen drei Varianten zu Verfügung. Sie lassen sich mit folgenden Stichworte charakterisieren:

  • kontinuierliche Abwasserzuführung
    bestehen in der Regel aus nur einem SBR-Becken. Das Abwasser fließt dem Becken stetig zu. Während der Belüftungs- und Sedimentationsphase bleibt das Ablaufventil jedoch geschlossen, so dass sich der Wasserspiegel im Becken anhebt. Nach Erreichen einer oberen Wasserstandsmarke wird die Belüftung eingestellt. Der Belebtschlamm kann sich in der Folge absetzen. Zur Absenkung des Wasserspiegels wird das Ablaufventil schließlich geöffnet und nach Unterschreiten einer unteren Wasserstandsmarke wieder geschlossen.
    Dadurch, dass ungereinigtes Abwasser auch während der Klarwasserabzugasphase in den SBR-Behälter fließt, kommt es zwangsläufig zu einer mehr oder minder starken Ablaufverschlechterung. Dies kann hingenommen werden, wenn der SBR-Anlage ein weiteres biologisches Reinigungsverfahren nachgeschaltet wird.
  • alternierende Beschickung
    Es werden mindestens zwei SBR-Becken benötigt. Das der Kläranlage stetig zufließende Abwasser wird zunächst in das SBR-Becken 1 eingeleitet, bis dieses gefüllt ist, und danach in SBR-Becken 2.
    Becken 1 (resp. Becken 2) wird über die Dauer der Füllphase hinaus belüftet, um einen weitestgehenden Abbaueffekt zu erzielen. Schließlich wird die Belüftung eingestellt. Der Belebtschlamm sinkt zu Boden, und das Klarwasser wird abgezogen, um Raum für eine erneute Befüllung freizumachen.
    Durch eine klare Trennung zwischen Füll-, Sedimentations- und Klarwasserabzugsphase eine Rückverschmutzung des gereinigten Klarwassers durch zuströmendes Abwasser vermieden. Um dies zu erreichen, müssen mehrere SBR-Becken parallel angeordnet werden. Als Beispiel sind für die Befüllung des Beckens 1 eine Zeitspanne von 6 Stunden reserviert. Danach wird Becken 2 befüllt. Während der ersten beiden Stunden der Füllphase wird der Beckeninhalt weder gemischt noch belüftet (statisches Füllen), um Abbauvorgänge zu unterbinden und so einen signifikanten Anstieg der Konzentration an organischen Abwasserinhaltsstoffen zu provozieren. Man erhofft sich daraus positive Wirkungen auf die Entwicklung gut absetzbarer Belebtschlammflocken.
    Nachteil dieser Betriebstechnik ist, dass bei variablem Zulaufvolumenstrom die vorgesehene Fülldauer entweder nicht ausreicht, um eine Vollfüllung zu realisieren, oder das Becken ist bereits vor Ablauf der reservierten Füllzeit voll (z.B. bei Mischwasserzufluss). Eine Überfüllung des Beckens kann notwendig werden oder eine vorzeitig eingeleitete Absetz- und Klarwasserabzugsphase.
  • Kurzzeit-Beschickung
    Aus einem Vorlagebehälter werden die SBR-Becken einzelnen beschickt. Insbesondere dann, wenn der Vorlagebehälter "Über-Kopf" angeordnet ist, kann die Befüllung der einzelnen SBR-Behälter kurzfristig und mit geringem Energieaufwand erfolgen. Alle weiteren Aktionen (Belüften, Mischen, Zudosieren von organischen Kohlenstoffverbindungen, Puffersubstanzen, Fällungschemikalien etc.) können dann dem aktuellen Prozessfortschritt entsprechend und unabhängig von den momentanen Zulaufbedingungen im Kläranlagenzulauf ausgeführt werden.
    Bei Kurzzeit-Befüllung soll die Prozeßabfolge (biologische Reinigung, Sedimentation, Klarwasserabzug) unabhängig von dem momentanen Volumenstrom im Zulauf zu der Kläranlage eingestellt werden können. Durch ein schnelles Befüllen kann die Konzentration an organischen Abwasserinhaltsstoffen auf ein maximales Niveau gehoben und damit optimale Ausgangsbedingungen für die Bildung gut absetzbarer Belebtschlämme geschaffen werden. Die Abfolge anaerober, anoxischer und aerober Prozessphasen zur Einstellung von Bedingungen, die zur Durchführung der biologischen P-Elimination, Denitrifikation und Nitrifikation erforderlich sind, kann unabhängig von der hydraulischen Belastung der Kläranlage eingestellt werden. Nachteilig ist bei dieser Lösung allerdings, dass zum Betrieb einer derartigen Anlage ein spezieller Vorlagebehälter gebaut und betrieben werden muss.

Bemessung und Betrieb von SBR-Anlagen

Bemessungsgrundlagen

Um das zulaufende Abwasser in einer SBR-Anlage dem gewählten Zyklusplan entsprechend behandeln zu können, sind im Vorfeld bestimmte bauliche und betriebstechnische Voraussetzungen zu schaffen. Durch die Abkopplung der biologischen Reinigungsprozesse von den Zwängen, welche die hydraulische Zulaufcharakteristik der Kläranlage bedingt, muss die SBR-Anlagendimensionierung in eine Zyklusbemessung und eine hydraulische Bemessung unterteilt werden. Die hydraulische Bemessung hat zum Ziel, notwendige und optimale Beckenvolumina zur Behandlung der anfallenden Abwassermengen zu ermitteln. Das höchste Maß an Flexibilität wird erreicht, wenn das kontinuierlich anfallende Abwasser in einem Vorlagebehälter gesammelt und von dort in den Reaktionsbehälter eingeleitet wird, der sich am längsten in der Wartephase befindet. Abbildung 7 zeigt eine nach diesem Muster geplante Anlage in einer Prinzipskizze. Die Gestaltung einer SBR-Kläranlage ohne Vorlagebehälter ist denkbar, wenn gewährleistet ist, dass durch entsprechende Wahl der Zyklusbemessung zur Aufnahme des zufließenden Abwasser stets mindestens ein freier Reaktionsbehälter zur Verfügung steht.

Das Volumen des Vorlagebehälters und die Größe und Anzahl der SBR-Behälter richtet sich nach den Randbedingungen.

  • Zulaufwassermenge
  • Wassermengenverteilung
  • Volumenaustauschrate
  • Dauer der Füllphase
  • Zyklusdauer.

Zur Ermittlung der Bauwerksgrößen ist eine Speicherberechnung durchzuführen. Grundlage dafür sind die Zuflusswassermengenganglinie und der Zyklusplan.
Der Zyklusplan umfasst die Vorgaben über die Volumenaustauschrate, die Zyklusdauer sowie die Dauer der einzelnen Prozessphasen. Es stehen Pilotversuche und rechnergestützte Bemessungsverfahren zur Verfügung, um diese Randbedingungen zu definieren.

Bei der Entscheidung über die Zahl der SBR-Behälter spielen Überlegungen wie: 

  • Investitionskosten für die maschinelle Ausrüstung der SBR-Behälter
  • Energievorhaltekosten für den Betrieb der Pumpen, Mischer und Belüfter
  • realisierbare Wehrbelastung der Abzugsvorrichtung.

eine Rolle.

Grundsätzlich sollten mindestens zwei SBR-Behälter vorgehalten werden. Durch eine geschickte Anordnung des Vorlagebehälters, beispielsweise auf Höhe oberhalb des oberen Wasserstands der SBR-Behälter, kann eine Schwerkraftbefüllung realisiert und die Energievorhaltekosten können damit entscheidend gesenkt werden.

Um eine wirtschaftliche Ausnutzung der Belüftungsenergie zu erzielen, sollte die Tiefe von SBR-Behältern mindestens 4 m betragen. Der Sauerstoffeintrag kann über Membranbelüfter erfolgen. Für die Durchmischung der Reaktorinhalts während anaerober und anoxischer Prozeßphasen sind maschinelle Mischeinrichtungen vorzusehen. In der Praxis werden Kombinationsaggregate für die Belüftung und Durchmischung eingesetzt, wie beispielsweise Jet-Belüfter/Mischer in den USA. Die Luft wird dabei am Saugpunkt eines Venturi-Strahls eingeleitet. Eine günstige Lösung bietet der strömungsoptimierte Hyperboloid Belüfter/Rührer, der sich durch einen vergleichsweise geringen Energiebedarf für die Durchmischung auszeichnet.

Das SBR-Verfahrensprinzip

Hinter dem Kürzel "SBR" verbirgt sich die englischsprachige Wortfolge "Sequencing Batch Reactor". Mit dem Begriff "SBR" hat R.L. Irvine (1979) eine Betriebsweise des Belebungsverfahrens umschrieben, die durch chargenweises Befüllen und Entleeren eines Belebungsbeckens innerhalb vorgegebener Zeitintervalle sowie durch eine festgelegte zeitliche Abfolge von Prozeßbedingungen (z. B. Belüften, Mischen, etc.) gekennzeichnet ist.

 

Ablaufschema des Belebtschlamm-SBR-Verfahrens

Der Begriff "Batch" bedeutet, dass das zu reinigende Abwasser als Charge in den Bioreaktor gefüllt wird. Die Alternative wäre eine kontinuierliche Beschickung (Konti-Betrieb). Mit dem Begriff "sequencing" wird auf die ständige Wiederholung einer Sequenz von Prozessphasen (Füllen, Belüften, Mischen, Entleeren) hingewiesen.

Heute wird die SBR-Betriebstechnik nicht nur auf das Belebungsverfahren angewendet, sondern auch auf eine Vielzahl anderer biologischer Verfahren, so u. a. auf Biofilm-Verfahren, auf Verfahren zur anaeroben Abwasserreinigung, auf biologische Verfahren zur Reinigung kontaminierter Böden und zur Regeneration von Aktivkohle.

Die Prozessbedingungen in einem SBR-Behälter sind durch periodische Veränderungen wichtiger Prozessparameter gekennzeichnet. Ein SBR-System wird bewusst nicht in einem stationären Zustand (Fließgleichgewicht) betrieben. Dies ist, gemessen an der derzeitigen Praxis im Bereich der chemischen Verfahrenstechnik und der Biotechnologie, ungewöhnlich.

In vielen Bereichen der Technik, wo physikalische oder chemische Prozesse zum Einsatz kommen, ist man bemüht, den Prozessablauf in einem gleichbleibenden (stationären) Betriebszustand zu halten. Angestrebt wird ein "Fließgleichgewichtszustand" (engl.: steady-state). Dieser ist durch eine ausgeglichene Energie- und Stoffbilanz gekennzeichnet. Während des Prozesses soll es zu keiner An- oder Abreicherung von Energie und Masse kommen. So soll in einem Reaktor mit dem Volumen V weder durch Zu- und Abtransport von Stoffen (Stofftransportrate, j), noch durch Stoffumwandlungsreaktionen (Reaktionsgeschwindigkeit, r) eine zeitliche Änderung der Masse (M) der an der Reaktion beteiligten Stoffe (i) eintreten.

Von Reaktoren, die in einem stationären Zustand betrieben werden, erhofft man sich eine gleichbleibende Produktqualität bei einem Minimum an Betriebsmitteleinsatz.

Biologische Systeme unterscheiden sich von den rein chemischen und physikalischen durch die selbstregulativen Kräfte, die in den Organismenzellen wirksam sind. Selbstregulationsmechanismen müssen zur Überlebenssicherung und zur Arterhaltung verfügbar sein. Dies gehört zu den Grundprinzipien des Lebens. In heterogen zusammengesetzten Lebensgemeinschaften (Biocoenosen) kommen Regulationsmechanismen höherer Ordnung hinzu. Diese resultieren aus den Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Vertretern der Lebensgemeinschaft und den Umweltfaktoren, die auf die Lebensgemeinschaft wirken.

Um biologische Systeme für die Zwecke der Abwasserreinigung einsetzen zu können, müssen spezielle Randbedingungen eingestellt werden. Diese müssen so gewählt werden, dass die Selbstregulation in den Zellen und in der Biocoenose in die jeweils gewünschte Richtung gelenkt wird. Bestimmte Organismenarten sollen in der Biocoenose besonders stark vertreten, andere unterrepräsentiert sein. Einzelne Stoffwechselwege sollen mit besonders hoher Effizienz verfügbar sein.

Trotz der Dynamik, die für biologische Systeme kennzeichnend ist, wurden bisher aber überwiegend statisch wirkende Kontrollmechanismen angewendet. Als Beispiel für statische Bemessungs- und Betriebsparameter für Belebungsanlagen seien die Schlammbelastung und das Schlammalter genannt.

Nun schwanken die Umweltfaktoren, die auf biologische Systeme in Kläranlagen wirken, in weiten Grenzen. Eine Dämpfung dieser Schwankungen ist nur in Einzelfällen möglich. Auf die biologischen Systeme in Kläranlagen wirkt eine große Vielfalt an Umweltfaktoren ein, von denen aber nur einige von außen erkennbar und kontrollierbar sind. Deshalb ist es auch bei größtmöglichen Anstrengungen nicht möglich, die Randbedingungen für ein biologisches System auf Kläranlagen konstant zu halten, beispielsweise die Schlammbelastung und das Schlammalter. Beide Parameter schwanken vielmehr in zuweilen unzulässigen Grenzen. Das biologische System kann "aus dem Ruder laufen", auch ohne daß die Gründe hierfür im einzelnen immer erkennbar werden.

Steady-state-Bedingungen lassen sich auf Kläranlagen wegen der oben genannten internen und externen Randeinflüsse grundsätzlich nicht einstellen. Hinter dem SBR-Verfahrensprinzip steht nun die Idee, durch Einstellen temporärer und periodisch sich wiederholender instationärer Bedingungen

auf das biologische System einen starken, die Entwicklung des Systems steuernden Einfluss auszuüben.

Als wirkungsvoller Faktor hat sich der periodische Wechsel von Verfügbarkeit und Mangel an Substraten, Elektronen-Donatoren und Elektronen-Akzeptoren erwiesen. Für die Wirksamkeit der Periodizität sprechen gleich mehrere Gründe:

  • Es kann davon ausgegangen werden, dass Mikroorganismen in der Natur ständig periodischen Änderungen von Umweltfaktoren ausgesetzt und daher an eine Periodizität angepasst sind
  • Der periodische Wechsel von Verfügbarkeit und Mangel an Substraten und Elektronen-Donatoren regt die Zellen dazu an, ihr Enzymsystem voll auszubilden, obwohl die Substratkonzentration in entscheidenden Stadien des Reinigungsprozesses (Entleerungsphase) nahe dem Nullpunkt liegt. Erreichbar ist eine hohe Reinigungsleistung (niedere Ablaufkonzentrationen) bei hoher metabolischer Leistungsfähigkeit der Mikroorganismen

 

Typische Änderung von Wasserstand und Substratkonzentration in einem SBR-Behälter während eines Zyklus

  • Während der Hungerphasen wird erfahrungsgemäß die EPS-Bildung angeregt. Durch EPS-Akkumulation, die eintritt, wenn Fütterungs- und Hungerphasen sich ständig ablösen, werden günstige Ausgangsbedingungen für die Entwicklung von gut absetzbaren Belebtschlämmen geschaffen
  • Durch wiederholte Steigerung der Substratkonzentration über eine bestimmte kritische Grenze hinaus können Arten, die durch einen hohen rSXmax- und KS-Wert gekennzeichnet sind, gegenüber Arten mit kleinem rSXmax- und KS-Wert erfolgreich konkurrieren, obwohl die Substratkonzentration schlussendlich doch unter den arttypischen KS-Wert sinkt. Ergebnisse systematischer Untersuchungen haben gezeigt, daß auf diese Weise fadenförmig wachsende Bakterienarten wirkungsvoll gegenüber ihren flockenbildenden Konkurrenten zurückgedrängt und die Absetzbarkeit von Belebtschlämmen folglich begünstigt werden kann
  • Durch periodische Verfügbarkeit und Mangel an Sauerstoff können Aerobier, anoxisch lebende Arten und Anaerobier in eine Lebensgemeinschaft gezwungen werden, also beispielsweise Nitrifikanten und Denitrifikanten
  • Räuberische Organismenarten, für die Sauerstoffmangelsituationen ungünstig sind, werden zurückgedrängt und damit die Entwicklung von verfahrenswichtigeren Bakterienarten begünstigt. Periodische Veränderungen von Umweltfaktoren, wie sie oben beschrieben wurden, lassen sich auch in kontinuierlich durchströmten Bioreaktoren einstellen. Ein wirksames Mittel dazu ist die Kaskadierung des Reaktors, d. h. die Aufteilung des Reaktionsraums in mehrere nacheinander durchflossene Zonen. Durch Rückführung der Biomasse, wie dies für Belebungsanlagen typisch ist, gelangen die Mikroorganismen periodisch in Zonen mit hoher und niederer Substratkonzentration, Sauerstoffkonzentration etc.

Nachteil dieser in der Praxis heute vielfach eingesetzten Technik ist, dass die hydraulische Verweilzeit in den einzelnen Zonen der Kaskadenanlage sich ändert, wenn der Zulaufvolumenstrom variiert. Zudem ist mit Änderungen der Zulauffracht zu rechnen, auf die durch Änderung der Verweilzeit in den einzelnen Teilen der Kaskade zu reagieren wäre. Die erforderliche Verweilzeit kann aber, weil das System baulich vorgegeben ist, de facto nicht angepasst werden. Der gewünschte Einfluss auf das biologische System lässt sich daher nur näherungsweise ausüben.

Mit der SBR-Betriebstechnik können diese Unzulänglichkeiten überwunden werden. Begründet wird diese Einschätzung durch folgende Argumente:

  • Dadurch, dass der Bioreaktor über eine vorgegebene, jederzeit änderbare Zeitspanne befüllt wird, kann der Konzentrationsanstieg im Becken jederzeit kontrolliert werden.
  • Die Kontrolle des anfänglichen Konzentrationsanstiegs wird durch die Möglichkeit, die Volumenaustauschrate (Füllvolumen im Verhältnis zum Behälterinhalt bei Vollfüllung) zu verändern, noch weiter begünstigt.
  • Durch Variation von Volumenaustauschrate und Zyklusdauer kann die Frequenz der periodischen Änderungen verändert und so gezielt Einfluss auf das biologische System ausgeübt werden. Erfahrungsgemäß steigt die metabolische Aktivität der Biomasse mit Erhöhung der Zyklusfrequenz.
  • Der Zeitpunkt für den Beginn und das Ende der Belüftungsphase kann frei gewählt werden. Damit kann die Anhebung der Substratkonzentration zu Beginn eines Zyklus sowie das Ausmaß der aeroben Reinigungsprozesse kontrolliert werden.
  • Frei wählbar sind Anordnung und Dauer anaerober und anoxischer Phasen, so dass Prozesse wie Denitrifikation und biologische Phosphatelimination wirkungsvoll gesteuert werden können.
  • Durch Variation der Dauer der Absetzphase kann auf die spezifische Absetzbarkeit des Belebtschlamms reagiert, bzw. in Festbettreaktoren nach Wunsch auch eine Filtrationswirkung erzielt werden.
  • Der Reaktionsfortschritt kann mit einfachen Mitteln (z. B. Sauerstoffkonzentration, pH-Wert, Redox-Potential) gemessen und die Signale zur Einstellung der Dauer einzelner Phasen sowie der Zyklusdauer verwendet werden.
  • Die Dosierung von Additiven (z.B. Säuren/Laugen zur pH-Wert-Kontrolle, externe Kohlenstoffverbindungen zur Steigerung der Denitrifikationsleistung) kann zeit- und bedarfsgerecht durchgeführt werden. Damit werden Mangelsituationen und Überdosierungen vermieden.
  • Nach Beendigung des Entleerungsvorgangs ist der Bioreaktor für eine erneute Befüllung bereit. Der Reaktor kann, da sich das System im Hungerzustand befindet, ohne Schwierigkeiten still liegen, bis genügend Abwasser für eine Beschickung zur Verfügung steht. Durch anaerobe Lagerung der Biomasse können erfahrungsgemäß mehrere Tage überbrückt werden, ohne dass die Biomasse an Aktivität verliert.

 

Wichtige Parameter für die Steuerung eines SBR-Prozesses sind folglich:

  • Zyklusdauer Zeitraum, gerechnet vom Beginn des Füllvorgangs bis zum Abschluss der Entleerung; typische Werte sind 6, 8 oder 12 Stunden
  • Zyklusfrequenz Häufigkeit, mit der ein Zyklus pro Zeiteinheit durchgeführt wird
  • Volumenaustauschrate Füllvolumen relativ zum Behältervolumen bei Vollfüllung
  • Füllphase Einleiten einer vorgegebenen Menge an Abwasser während eines begrenzten Zeitraums
  • Reaktionsphase Zeitraum, der zur Durchführung der biologische Reaktionen reserviert ist; zu unterscheiden ist zwischen aeroben, anoxischen und anaeroben Reaktionsphasen. Die Reaktionsphase beginnt mit der Füllphase und endet mit dem Beginn der Absetzphase
  • Absetzphase Zeitraum, während dem sich der Belebtschlamm absetzen kann
  • Entleerungsphase Während dieser Phase wird das gereinigte Abwasser aus dem Bioreaktor entnommen; die Entleerungsphase kann bei SBR-Belebungsanlagen bereits während der Absetzphase beginnen; bei SBR-Biofilmanlagen kann die Entleerung so gestaltet werden, daß partikuläre Substanzen durch Filtrationswirkung zurück- gehalten werden.
  • Überschußschlammabzug Phase, während der Überschußschlamm aus dem System abgezogen wird
  • Rückspülphase Zum Betrieb von SBR-Festbettreaktoren muß die gebildete Überschußbiomasse regelmäßig durch Rückspülen des Filterkörpers abgetragen und aus dem System geschleust werden.
  • Stillstandsphase Zeitspanne, während der sich der SBR in Warteposition befindet (optional).

 

 
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