März 1998

Wasser-/Abwassernachrichten

(News-Archiv)

Getrübte Wässerchen 
Pharmazeutika in Flüssen, Seen, Trink- und Grundwasser nachgewiesen

Spektrum der Wissenschaft 27.03.1998

Pharmazeutika in Flüssen, Seen, Trink- und Grundwasser nachgewiesen Tabletten, Zäpfchen, Säfte - gegen fast jede unserer großen und kleinen alltäglichen Beschwerden gibt es eine Pille. Und für viele beginnt der Tag erst mit ihrer Lieblingsdroge, dem Koffein. Ein Großteil der Wirkstoffe wird nicht vom Körper aufgenommen, sondern ausgeschieden und wandert in Flüsse und Seen, gelangt in das Grundwasser und kann selbst im Trinkwasser nachgewiesen werden.

Verschiedene Forschergruppen fanden unabhängig voneinander Lipidsenker, Antibiotika, Antiphlogistika, Analgetika, Antiseptika, Betablocker und andere Arzneimittel in Trinkwasser, Seen, Flüssen und Bächen (Science News vom 21. März 1998). Sie konnten nachweisen, daß die Stoffe nicht aus der industriellen Produktion stammten, sondern aus menschlichen Exkrementen in den Wasserkreislauf gelangt sind. Von manchen Pharmazeutika werden bis zu 90 Prozent in ihrer ursprünglichen oder biologisch aktiven Form ausgeschieden. In anderen Fällen werden teilweise abgebaute Wirkstoffe durch chemische Reaktionen, die in der Umwelt ablaufen, wieder in ihre aktive Form zurückgeführt.

In den USA gibt es noch keine vergleichbaren Untersuchungen, doch James F. Pendergast von der zuständigen Environmental Protection Agency meint, daß Ingenieure der Wasserwerke schon seit geraumer Zeit wissen, daß einer der häufigsten pharmazeutisch aktiven Stoffe besonders in den Morgenstunden Spitzenwerte im Abwasser erreicht: Koffein.

Dem Artikel in Science News zufolge hat die Eidgenössische Forschungsanstalt in Wädenswil dieses Jahr in allen Gewässern der Schweiz - von Bergseen bis zu Flüssen, die durch dichtbesiedelte Gegenden fließen - Clofibrinsäure entdeckt, einen weitverbreiteten Lipidsenker. Die Allgegenwart dieser Substanz, die in der Schweiz überhaupt nicht hergestellt wird, spricht dagegen, daß die Kontamination durch einen industriellen Unfall verursacht wurde. Wahrscheinlicher stammt sie aus menschlichen Exkrementen, sagt der schweizer Wissenschaftler Hans-Rudolf Buser.

Science News zitiert eine frühere Studie von Wissenschaftlern der Technischen Universität Berlin, die im Berliner Grundwasser hohe Konzentrationen von Clofibrinsäure (4 ppb = 4 Teilchen in einer Milliarde Teilchen) nachgewiesen haben. Selbst in den Leitungswasserproben waren bis zu 0,2 ppb zu finden. Ein anderes Forscherteam hat im Berliner Trinkwasser weitere Medikamente entdeckt, welche die Konzentration der Blutlipide regeln (wie Phenazon und Fenofibrinsäure) sowie Antiphlogistika (einschließlich Ibuprofen und Diclofenac).

In einer anderen Forschungsarbeit hat der Chemiker Thomas A. Ternes vom ESWE-Institut für Wasserforschung und Wassertechnologie in Wiesbaden ein Projekt zur Wasserüberwachung gestartet und 30 von 60 gängigen Pharmazeutika in Abwasser, aufbereitetem Wasser sowie in nahezu allen untersuchten Bächen und Flüssen in Deutschland entdeckt. Unter anderem fand er: Lipidsenker, Antibiotika, Antiphlogistika, Antiseptika, Betablocker und Medikamente zur Behandlung von Epilepsie.

Die Konzentrationen der Antibiotika, die im deutschen Abwasser gefunden wurden, deuten darauf hin, daß "diese Antibiotika in Konzentrationen vorhanden sind, die für Bakterien Folgen haben - Konzentrationen, die nicht nur die Ökologie der Umwelt verändern, sondern auch zu einer Resistenz gegen diese Antibiotika führen könnten", sagt Stuart Levy, Direktor des Center for Adaptation Genetics and Drug Resistance an der Tufts University in Boston.

Da die nachgewiesenen Substanzen als Arzneien entwickelt wurden, unterliegen sie der Aufsicht der Gesundheitsbehörden. Diese verfügen meist nicht über entsprechende Kompetenzen in Fragen des Natur- und Wasserschutzes. Zudem betrachten sie Pharmazeutika nicht als potentielle Umweltschadstoffe, obwohl bis zu 90 Prozent der eingenommenen Arzneien den Körper mit Urin und Stuhl wieder verlassen. Außerdem waren die früher verfügbaren Meßmethoden zu ungenau, um geringe Stoffkonzentrationen zu detektieren. Mittlerweile können Chemiker auch schon Mengen von einigen ppt (parts per trillion = Teile pro Billion) routinemäßig nachweisen.

 
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