Wasser-Wissen


 

Biofilm

(biofilm) Schicht von angesiedelten lebenden und abgestorbenen Kleinstlebewesen. Biofilme entstehen, wenn Mikroorganismen (z. B. Bakterien, Algen, Protozoen) sich an Grenzflächen zwischen Gas- und Flüssigphasen (z. B. bei freiem Wasserspiegel), Flüssig- und Festphasen (z. B. Kies an der Gewässersohle) oder an Flüssig-/Flüssigphasen (z. B. Öltröpfchen im Wasser) ansiedeln. Es bildet sich auf der Grenzfläche eine dünne, meist geschlossene Schleimschicht (Film), in die Mikroorganismen eingebettet sind.

Andere Bezeichnungen für Biofilm sind: Aufwuchs, Kahmhaut, Sielhaut, Schleimschicht. 

Die Grenzfläche, auf der sich der Biofilm bildet, wird Substratum genannt.

Die weitaus überwiegende Zahl an Mikroorganismen lebt in der Natur in Form von Biofilmen. Biofilme können aus technischer sicht positive und negative Wirkungen ausüben. Als vorteilhaft gilt der Biofilm zur Selbstreinigung von Gewässern. Negative Wirkungen folgen, wenn Biofilme z.B. Materialzerstörung (biogene Korrosion) verursachen.


Nadelelktrodenmessung an einer mit Biofilm besiedelten Membran, IUV

Biofilme wachsen in ganz unterschiedlicher Weise auf. In manchen Fällen bilden sich dichte und geschlossene Biofilme mit einer relativ ebenen Grenzfläche zum überströmenden Fluid hin. Die Grenzfläche kann aber auch sehr unregelmäßig geformt sein, wenn beispielsweise Bakterienarten fadenförmig (filamentös) in das Fluid hineinwachsen oder wenn das Substratum mit Protozoen (z. B. Glockentierchen) oder höheren Organismenarten besiedelt ist. Hierbei spielen die Strömungszustände um den Biofilm eine einflussreiche Rolle.

Die Biofilmbildung beginnt, wenn eine Zelle sich an einer Grenzfläche festsetzt und sich dort vermehrt. Für die Haftung (Adhäsion) der Zellen an der Grenzfläche können unterschiedliche Mechanismen verantwortlich sein. Von Bedeutung sind insbesondere van der Waals'sche Kräfte, elektrostatische Anziehung sowie Wasserstoffbrücken. Jede Grenzfläche bietet letztendlich Adhäsionspotentiale für Mikroorganismen. Die Bindung wird in vielen Fällen allerdings begünstigt, wenn die Grenzfläche bereits mit organischen Polymeren (z. B. Polysacchariden) belegt ist. Solche Polymere sind in der Regel biologischen Ursprungs. Sie entstammen der Schleimhülle, die sich um Bakterienzellen bildet, sich gelegentlich ganz oder teilweise ablöst und beim Kontakt mit Grenzflächen adsorptiv gebunden wird.

Infolge der Vermehrung der Zellen, die sich an einer Oberfläche angelagert haben, kommt es zu einer Ausbreitung der Organismen. Die Grenzfläche wird in Form eines Films (Biofilm) erst flächig besiedelt. Gleichzeitig oder später wachsen die Biofilme mehrschichtig auf und bilden schließlich dreidimensionale Strukturen mit mehr oder minder scharfen Grenzen zu den an den Biofilm angrenzenden Phasen (fest, flüssig, gasförmig). Die so entstehende Biofilm-Matrix kann geschlossen sein, aber auch mit Poren, Kavernen und Gängen durchsetzt. Letzteres wird vor allem im jungen Stadium der Biofilmentwicklung beobachtet.

Die Organismenzellen im Biofilm sind zumeist in einer schleimartigen Matrix aus extrazellulären polymeren Substanzen (EPS) eingebettet. Zur Grenzfläche hin stellt sich in vielen Fällen eine Übergangssituation ein. Dies gilt insbesondere für die Grenzfläche "Biofilm-Wasser". Im Kernbereich ist der Biofilm kompakt (Basis-Biofilm). Der Randbereich ist dagegen oft sehr unscharf ausgebildet (Oberflächen-Biofilm). Mikroorganismen wachsen in die Flüssigphase hinein (z. B. fadenförmig wachsende Bakterien, Glockentierchen etc.), und es bilden sich "Täler" und "Höhen".

Der Basis-Biofilm enthält mehrere feste Phasen (Bakterienzellen, EPS, anorganische  Partikel), eine flüssige Phase (Wasser) samt den darin gelösten Stoffen (z. B. Substrate) sowie gelegentlich auch eine Gasphase (z. B. Gasbläschen, angereichert mit u.a. Stickstoff, Kohlendioxid, Methan, Schwefelwasserstoff). Die festen Phasen sind mit einigen Ausnahmen (z. B. Würmer) immobil. Das in den Poren der EPS enthaltene Wasser stagniert. Stoffe, die in der flüssigen Phase gelöst sind, können sich daher nur durch diffusive Stofftransportvorgänge ausbreiten. Konvektive Stofftransportvorgänge treten innerhalb des Basis-Biofilms allenfalls in Kavernen und Gängen auf, wenn diese vom Wasser durchströmt werden.

An der Oberfläche von Biofilmen, die mit Wasser überströmt werden, entsteht eine Wandschubspannung, deren Größe von den Strömungsbedingungen im Wasserkörper (bulk) bestimmt wird. Die dadurch erzeugten Scherkräfte führen dazu, dass Mikroorganismen aus dem Biofilm herausgerissen und abtransportiert werden. Diesen Vorgang wird als Erosion bezeichnet. Die Scherkräfte steigen, wenn durch das Biofilmwachstum der durchströmte Querschnitt eingeengt und die Strömungsgeschwindigkeit dadurch angehoben wird. Durch die Zunahme der Erosionsrate wird die Dicke von Biofilmen begrenzt. Zusätzlich wird die Tiefenausdehnung des Biofilms durch Bewuchsablösungen (sloughing) begrenzt. Ganze Teile des Biofilms lösen sich ab, wenn der Biofilm durch zunehmende Dicke zu schwer wird, wenn in den tieferen Schichten des Biofilms langanhaltende Mangelsituationen (z. B. Mangel an Substrat oder Sauerstoff) auftreten, oder wenn sich im Biofilm Gasblasen bilden (z. B. durch Denitrifikation) und dadurch der Zusammenhalt von Biofilmteilen verloren geht.

Im Bereich des Oberflächen-Biofilms sind diffusive Stofftransportvorgänge in den geschlossenen Biofilmausstülpungen maßgebend. Im übrigen können konvektive Transportvorgänge bedeutsam sein. Letzteres ist insbesondere dann anzunehmen, wenn durch die Bewegung der in die Strömung hineinragenden Auswüchse (z. B. Fadenbakterien) Mischungsvorgänge ausgelöst werden. 

Die Reaktionskinetik in Biofilmsystemen wird ganz wesentlich durch diffusive Stofftransportvorgänge bestimmt. Selbst bei hoher Turbulenz im Bulk kommt es in der Nähe der Biofilm-Oberfläche, nämlich in der Strömungsgrenzschicht, zu einer Abnahme der Strömungsgeschwindigkeit mit der Folge, dass laminare Strömungsverhältnisse maßgebend werden und damit die Diffusion schon in der Strömungsgrenzschicht bestimmend wird.

Zur Berechnung der Entwicklung von Biofilmsystemen und der erzielten Stoffwechselleistung müssen die räumliche Ausdehnung des Biofilms, die räumliche Verteilung der verschiedenen Organismenarten im Biofilm, die lokale Verteilungsdichte der einzelnen Arten, die diffusiven Stofftransportvorgänge, die reaktionskinetischen Eigenschaften der beteiligten Mikroorganismen sowie Erosion und Bewuchsablösung berücksichtigt werden. 

Zu beachten ist, dass die Stoffkonzentration (z. B. Substratkonzentration), wie sie von den Organismenzellen wahrgenommen wird und zur Berechnung der Reaktionsgeschwindigkeit eingesetzt werden muss, nicht aus dem Verhältnis von Stoffmasse und Biofilmvolumen berechnet werden darf. Das Volumen, auf das die Stoffmasse zu beziehen ist, ergibt sich vielmehr erst nach Abzug aller festen Phasen des Biofilms. Bildlich gesprochen: es darf nur das Volumen eingesetzt werden, dass sich aus dem Schwamm "Biofilm" auspressen lässt.

Quelle: [Skriptum zur Vorlesung Wassergütewirtschaft TU München]

Einsatz von Biofilmen in der Abwassertechnik

Biofilmverfahren eignen sich in besonderen Weise für die dezentrale Abwasserreinigung, da die Mikroorganismen an eine Oberfläche gebunden sind und somit auch bei hohen hydraulischen Belastungen nicht aus der Biologie ausgetragen werden.

Biofilme mit Ihrer verästelten Struktur stellen eine sehr große Adsorptionsfläche zur Verfügung, wodurch Frachtspitzen gut zurückgehalten werden, indem Substanzen, die nicht sofort verarbeitet werden können, bis zu einem gewissen Grad am Biofilm angelagert und nachfolgend in Perioden mit geringer Nahrungszufuhr abgebaut werden.

Die Mikroorganismenpopulationen neigen zu einem starken Wachstum, das ohne Begrenzung ein Verstopfen der Aufwuchsflächen zur Folge haben könnte. Die zuwachsende Biomasse (Überschussschlamm ) muss daher von der Besiedlungsoberfläche (Festbett) abgelöst und aus dem biologischen Reaktor ausgetragen werden. Diese Forderungen kann mit den herkömmlichen Biofilmsystemen (z.B. Tropfkörper, Scheibentauchkörper), speziell bei Überlastung der Anlage, nur in begrenztem Umfang erfüllt werden.

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